Andacht von Pfarrerin Angela Wolter
Liebe Leserinnen und Leser,
Eine feste Umarmung, ein Kuss auf die Stirn – dann steigt meine Tochter in den ICE Richtung Frankfurt Flughafen. Sie wird ihren Urlaub in den nächsten vier Sommerwochen bei meiner Schwester in den USA verbringen. Das hat sie schon oft gemacht. Und bei ihrer Flugreise ging immer alles gut. Ich freue mich mit ihr über ihre Reise. Trotzdem habe ich bei diesen Abschieden jedes Mal ein unruhiges, dieses Jahr sogar ein - zugegeben - mulmiges Gefühl. Als ich den Zug wegfahren sehe, atme ich tief durch, verlasse das Bahnhofsgebäude mit einem kleinen Seufzer und einem Stoßgebet. Dabei hebe ich den Blick automatisch nach oben, in einen sehr schönen und blauen Sommerhimmel.
Da sehe ich ihn – diesen riesengroßen Engelsflügel! Wie gemalt von altmeisterlicher Künstlerhand. „Wow!“, denke ich, das gibt´s doch nicht!“ … und bin zutiefst berührt. Nochmal atme ich tief auf. Und es kommt mir der Taufspruch meiner Tochter, Psalm 139,5, in den Sinn: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir….“
Man kann über ein solches Erlebnis schmunzeln. Vielleicht sogar den Kopf schütteln, nach dem Motto: „Wie gefühlsduselig! Hallo, wach auf! Die Welt ist wie sie ist, und sie wird heute nicht besser sein als das, was wir täglich darüber aus den Nachrichten hören!“- Da ist sie auch schon wieder: die ewig sorgenvolle Nüchternheit!
Trotzdem! Und wenn Gott eben doch gerade seine wunderschöne, frohe Botschaft an mich schickt? Wenn ER mich mit dem wunderbaren Wolkenbild daran erinnert, dass ich mich ganz auf seine Nähe und seine himmlischen Boten verlassen kann? Sodass ich für die Menschen, die ich liebe, ja, für alle Menschen und für seine ganze Schöpfung mit seiner heilsamen Gegenwart, seinem Dasein rechnen darf?
Ich habe von der Engelsflügel-Wolkenformation ein Foto gemacht.
Nach wenigen Augenblicken war sie auch schon nicht mehr da. Aber ich habe dieses Bild mitgenommen an diesem Tag und bis heute in mir behalten. Es hat viele gute Gedanken in mir ausgelöst:
„Mach Dir nicht zu viele Sorgen, alles wird gut gehen auf der Reise der Tochter“… Und dann kam mir noch ein Gedanke: den schönen Wolken-Engelsflügel haben hoffentlich in diesem Moment außer mir noch viele andere Menschen gesehen. Und sie haben sich durch seinen Anblick ermutigt, getröstet, gestärkt gefühlt. Welche frohe Botschaft werden sie für sich darin gelesen haben? Vielleicht haben sie an diesem Tag alles in einem neuen Licht gesehen.
Ob in den kommenden Festtagen oder zu anderer Zeit, ob in den Wolken am Himmel oder auf Erden: Gott kennt ganz bestimmt viele Wege, um uns zu helfen und uns aufzurichten. Er nimmt Kontakt zu uns auf, immer wieder. In Jesus, seinem Sohn, auf dessen Ankunft wir uns in den nächsten Wochen vorbereiten. Und auf viele weitere Arten. Ganz bestimmt erreicht er uns dabei so, wie es gerade wichtig für uns ist. Sind wir dafür offen?
Ihnen allen von Herzen eine gnadenreiche und frohe Advents- und Weihnachtszeit!
Ihre, Angela Wolter, Pfn.